10. April 2019 Johannes Wolters

Die INDAC Kritik von Sebastian Kellermann zu Paramounts „Willkommen im Wunder Park“

Okay. Eigentlich heißt der neue Animationsfilm von Paramount korrekt „Willkommen im Wunder Park“. Im Film selbst wird stattdessen aber so oft vom „Wunderland“ geredet, dass man die Protagonistin June lieber Alice nennen möchte. Zum Glück kann der Film ansonsten aber als eigenständiges Werk durchaus eine eigene Handschrift entwickeln. Zumindest die erste Hälfte des Films.

Zu Anfang sei gesagt, dass ich im Vorfeld keine allzu großen Erwartungen an den Film hatte. Der Trailer vermittelte mir den Eindruck, es handele sich um „Animierter Abenteuer/Coming-Of-Age-Film XY“. Zugegeben handwerklich sehr gut gemacht. Tatsächlich hat der Film aber neben reichlich Humor und wirklich erstklassiger Animation auch Charaktere und emotionale Momente, die im Gedächtnis bleiben. Insbesondere die Dynamik zwischen June und ihrem Vater wirkt glaubhaft, ist interessant und sorgt außerdem für eine der witzigsten Szenen des Films.
Der gesamte Film sprüht in der ersten Hälfte vor Charme. Ich hatte den Eindruck, dass die Macher viel Liebe in ihr Werk gesteckt haben. Sei es die hochklassige Gestaltung des Films, die an einigen Stellen für extrem schöne Bilder sorgt. Oder seien es kleine versteckte Details hier und da, die man nur beim genauen Hingucken bemerkt. Hier wurde mit Leidenschaft gearbeitet.
Außerdem möchte ich kurz Lena Meyer-Landrut loben, die in der deutschen Fassung June ihre Stimme leiht. Für mich konnte die Sängerin mit altgedienten Synchronsprecherinnen voll mithalten. Zwar klingt sie eigentlich zu alt für die Rolle, jedoch hat mich persönlich das nicht gestört.

Leider lässt der Film in der zweiten Hälfte deutlich nach. Strikt nach dem Schema der Heldenreise erlebt June etwa zu diesem Punkt der Geschichte ihren persönlichen Tiefpunkt. Sie ist am Boden zerstört, hoffnungslos – bis zum Beginn der nächsten Szene. Da ist sie plötzlich wieder optimistisch, entschlossen, fröhlich. Sie lässt all ihre Fehler, die sie den gesamten vorigen Film gehindert haben, hinter sich. Dabei fühlt es sich leider nicht so an, als hätte sie sich mit ihren Fehlern auseinandergesetzt und sie nach einem schmerzhaften Prozess erkannt und überwunden. Stattdessen beschließt der Plot einfach, dass sie diese Fehler nun nicht mehr hat.

Insgesamt erscheint der Film ab diesem Punkt inkonsequent. Ich möchte nicht zu viel über die Handlung des Films verraten und kann daher nicht ins Detail gehen. Aber Charaktere machen sehr schnell ohne glaubhaften Anlass vorige Entscheidungen rückgängig, und auch sonst traut sich der Film nicht, einige Themen bis zum Ende durchzuziehen. Dabei hätte genau das dem Hauptcharakter June die Möglichkeit für eine wahrhaftige und tiefgreifendere Entwicklung gegeben. Am Ende des Films hatte ich das Gefühl, wieder am Anfang des Films angekommen zu sein. June lässt einen kleinen Satz darüber fallen, dass sie irgendwie was gelernt hat. Ansonsten stellt der Film aber einfach nur den Status quo des Startpunkts wieder her. Vielleicht sind einige nun verwirrt, habe ich doch eben noch behauptet, June würde auf magische Art und Weise von ihren Charakterfehlern befreit. Wie kann sie sich da nicht verändert haben? Junes Fehler bezogen sich nur auf sehr konkrete Probleme, die auch zu Beginn des Films nicht existieren. Da sie diese Fehler nun „überwindet“, ist sie charakterlich genau in derselben Situation wie zu Beginn des Films. Sie hat nichts wirklich neues gelernt. Hier hatte ich das Gefühl, dass mehr möglich gewesen wäre. Bei den Großen wie Disney oder Pixar sieht man, dass tiefgreifende Charakterentwicklung auch in animierten Kinderfilmen möglich ist.

Sollte man diesen Film also sehen? Ich hatte mit dem Film eine schöne Zeit, auch wenn mich die zweite Hälfte etwas enttäuscht hat. Sie war jedoch nicht derart katastrophal, dass sie mir das gesamte Filmerlebnis zerstört hätte. Wer also Animationsfilme liebt oder Kinder hat, die das tun, sollte ins Kino gehen. Wer kein Animations-Liebhaber oder Elternteil ist sollte sich trotzdem auf jeden Fall bei Netflix o.Ä. zu gegebener Zeit den Wunderpark angucken.

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