11. Dezember 2015 Johannes Wolters

Die INDAChs Kritik von Agon Ushaku zu „Der kleine Prinz“

„Der Kleine Prinz“  – Antoine de Saint-Exupery nach Hollywood-Art? Oder doch nicht ganz? 
„Der Kleine Prinz“ ist mit seinen 80 Millionen Euro Produktionskosten die bis jetzt teuerste Full-Feature Animation, die je in Frankreich produziert wurde. Als ich von den Plänen erstmals hörte, war ich sehr gespannt und neugierig, ob es den Franzosen gelingt, eine der beliebtesten illustrierten Erzählungen Europas in eine Full-Feature-Produktion umzuwandeln – ohne dabei die Tiefe und die Magie dieses künstlerischen Märchens zu verlieren. Und als ich dann noch las, dass Mark Osborne (Kung Fu Panda) die Regie führen würde, kamen mir doch leichte Zweifel. Denn mehr Hollywood ist ja kaum denkbar. Ich könnte mir vorstellen, dass das gesamte Produktionsteam ähnliche Gedanken hatte – und dass dies zur gewählten Umsetzung führte: Der Film ist keine reine Visualisierung der Original-Geschichte. Vielmehr wird die Geschichte aus dem Buch in die Haupthandlung des Films eingebettet. Aus technischer Sicht ist das alles sehr schön gemacht, und auch die Trennung zwischen 3D-Animation für die Haupterzählung und Stop-Motion-Animation für den Kleinen Prinzen finde ich sehr gelungen und passend. Sie verdeutlicht klar die Unterschiede zwischen diesen beiden Welten. Das Ziel ist offensichtlich: Die für manchen Betrachter sehr komplexe Originalerzählung sollte mit Hilfe einer moderneren Umsetzung für das breitere Publikum etwas zugänglicher gemacht werden. Schließlich müssen die Produktionskosten und die Sprecherstimmen von mehreren Oscar-Preisträgern wieder eingespielt werden.

Die durch Stop-Motion realisierte Umsetzung der Originalerzählung ist wunderbar gelungen und vermittelt genau die Magie, die man aus dem Originalbuch kennt. Dabei haben sich die Gestaltung der Puppen und die Art Direction sehr treu an die Originalskizzen des Autors gehalten. Man bekommt wirklich den Eindruck, dass auch die Animation von ihm stammen könnte. Die modernere Hauptgeschichte ist dagegen eine typisch Disney-artige Erzählung, die versucht, die moderne Welt mit den moralischen Werten aus Saint-Exuperys Buch zu verbinden. So schlägt sie eine größtenteils gelungene Brücke zwischen den zwei Erzählungen. Zumindest funktioniert dieses Konzept sehr gut über den größten Teil des Films: Die Hauptcharaktere und ihre Geschichte des Filmes überzeugen am Anfang, in der Mitte und bis kurz vor dem Finale. Als zum Schluss jedoch die beiden Welten verschmolzen werden, gelingt dies meiner Meinung nach nicht ganz so gut. Hier übertreibt der Film den Versuch, die Spannung zum Höhepunkt zu treiben. Insgesamt ist „Der Kleine Prinz“ aber eine gelungene, andere Art von Animationsfilm. Kenner der Originalgeschichte werden vor allem die Abschnitte genießen, die das Buch visualisieren. Und alle Besucher werden mit schönen Bildern und größtenteils überzeugenden  emotionalen Entwicklungen gut unterhalten.

Agon Ushaku, Unexpected GmbH, Stuttgart

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