3. April 2018 Johannes Wolters

Die INDAChs Kritik von Aygün Völker zu Disneys „DAS ZEITRÄTSEL – A Wrinkle in Time“

Die junge Meg, ihr kleiner Bruder Charles Wallace und ihre Mutter sind unglücklich: Vor vier Jahren verschwand der Vater spurlos. Als Wissenschaftler hatten sich die Eltern mit Zeitreisen durch das Universum beschäftigt. Für die Hypothese des Vaters, man brauche für Reisen durch den Kosmos keine Raumschiffe, sondern nur die richtige Frequenz, um die Zeit zu falten und dadurch Lichtjahre zu überwinden, hatte er auf einer Fachkonferenz nur Gelächter geerntet. Meg und Charles Wallace sind überzeugt, dass ihr Vater bei einem Experiment in ein anderes Universum katapultiert wurde, und sie machen sich auf, ihn zu suchen.

Dabei werden sie von drei schrill geschminkten Feen unterstützt, die Kämpfer für das Gute und gegen das Böse suchen. Der einfühlsame Calvin, ein Schulkamerad von Meg, kommt ebenfalls mit auf die abenteuerliche Reise durch das Universum.

Aygün Völker – Pans Studio

Schön, dass es heutzutage möglich ist, sämtliche Ideen filmisch umzusetzen, die einem modernen Märchenerzähler einfallen. Allerdings bleibt die Geschichte merkwürdig blutleer, auch wenn sich – ganz der Disney-Tradition gemäß – natürlich alle lieb haben und es dadurch letztlich gelingt, Megs und Charles’ Vater zu finden. Leider scheint in diesem Film der Status „es ist kompliziert“ Pate gestanden zu haben. Zum Vergleich: in alten Disney-Filmen wie Schneewittchen und den sieben Zwergen waren die Geschichte und die Charaktere noch einfach angelegt, auch wenn das damalige Frauenbild heute zu Recht antiquiert wirkt – Schneewittchen kann nur putzen, singen und von ihrem Liebsten träumen. Heute sind die weiblichen Figuren unabhängig und selbstbewusst, gesungen wird nicht, gekämpft dagegen schon. Leider sind mit den altbackenen Vorstellungen auch genial einfache Ideen untergegangen: Bei Dornröschen wird das Böse dadurch aufmerksam auf die versteckte Prinzessin, dass die drei unverkennbar lieben, guten Feen dumme kleine Streitigkeiten austragen und durch rosa und blauen Zauberstaub auffallen. Hier im Zeiträtsel scheinen die schillernden Feen ganz und gar nicht auf den ersten Blick gut zu sein. Nur Charles Wallace vertraut ihnen sofort, Meg hat – eigentlich zu Recht – erstmal Zweifel, ob sie ihnen vertrauen kann. Dieses gesunde Misstrauen wird ihr als Fehler angerechnet; auch gilt sie in der Schule als aggressiv und feindselig, obwohl sie sich nur gegen Mobbing der anderen Mädchen verteidigt, die ihrerseits unter Selbstoptimierungsdruck stehen. Die Feen in dieser Geschichte sind keine moralischen Institutionen, Mrs. Whatsit zweifelt an Meg und ist recht brutal zu ihr. Die besuchten Welten sind einerseits hübsch surreal, mit fliegenden Blumen und liebgesichtigen, fliegenden Kohlrabiblättern, andererseits gilt überall die gleiche Schwerkraft, überall gibt es Luft zum Atmen und die menschlichen Figuren sprechen dieselbe Sprache. Außerdem stören Regiefehler wie fehlende Szenen-Anschlüsse – mal hat Meg die Haare hochgesteckt, mal nicht, mal trägt sie ihre karierte Hemdjacke, mal ist sie verschwunden, zum Schluss wieder da – so etwas ist im Zeitalter der sofort sichtbaren Filmaufnahmen nicht entschuldbar. Auch stören einige für eine Kinoproduktion erstaunliche Nahaufnahmen von Gesichtern, was eher für das Fernsehen gedacht zu sein scheint.

Die Szene mit den gleichförmigen Vorstadthäusern und gleichen Kindern, die die gleichen Bälle synchron auftrumpfen lassen, birgt dagegen schön-schauriges Grusel-Potential à la David Lynch, aber dass Charles Wallace zum Bösen mutiert, Calvin aber nicht, obwohl auch er von den vergifteten Brötchen gegessen hat, scheint unglaubwürdig. Merkwürdig auch, dass Charles Wallace böse ist, seit er seine Hochbegabung erkannt hat, während die ebenfalls hochbegabte, aber bescheidene Meg mit ihrem klugen Misstrauen das Brötchen verweigert und ihren Bruder erst durch die Beteuerung, dass sie ihn und er sie liebt, schließlich wieder zurück auf den rechten Weg bringt. Der Aufruf, als Kämpfer gegen das Böse, gegen Verzweiflung und Gemeinheit aufzustehen, geht in dem Schlachtgetümmel und den reichlichen Disney-Tränen mit Zuckerguss unter. Was bleibt? Um den Film mit einem Wort zu beschreiben: merkwürdig.

Viele Grüße aus Berlin
von
Aygün Völker

PANs Studio

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