26. November 2019 Johannes Wolters

Rückblick auf die 10. Ausgabe der CLASH OF REALITIES

von Johannes Wolters

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Unsere Welt besteht voller Ungleichzeitigkeiten, voller widersprüchlicher Entwicklungen, voller unterschiedlicher Einsichten im Großen wie im Kleinen. Diese Erkenntnis macht deutlich, dass wir in einer Welt voller verschiedener selbstgemachter Realitäten leben, ob nun in der eigenen Filterblase der Social Medias, des eigenen persönlichen Umfelds oder sozialer Strömungen. Und manchmal stoßen diese unsere Realitäten aneinander, reiben sich oder führen zu Auseinandersetzungen.

Ob dies nun zum polarisierenden propagandistischen Austausch von alternativen Fakten führt oder zu kreativen Befruchtung und neuen Denkansätzen, dies liegt an jedem selbst, seiner/ihrer Aufgeschlossenheit neue Horizonte zu gewinnen oder neue Sichtweisen aufzunehmen. Die Kölner Konferenz über die Kunst, Technologie und der Theorie/Ästhetik der digitalen Spiele führt genau diesen „Clash of Realitites“ in ihrer gleichnamigen dreitägigen Konferenz seid nunmehr 10 Ausgaben ganz bewusst her und hat sich so zu einem kleinen, feinen Juwel innerhalb der internationalen Gamingevents gemausert und pusht alljährlich die globale Diskussion in diesem Bereich. Die vom Cologne Games Lab unter Federführung von Gundolf S. Freyermuth und Björn Bartholdy ausgerichtete Konferenz, bewusst an Studenten und Lehrende gerichtet, stellte dem zahlreichen und hochinteressierten Publikum erneut eine hochinteressante Mischung vor an Workshops, Summit-Panels und vorzüglich besetzter Keynotes, in denen Game-Entwicklungen, Medienerziehung, das Verhältnis zwischen Film und Games sowie allgemein die Geschichte und Tendenzen der Games erörtert und vor allem miteinander diskutiert wurden. Veranstaltet wird die Konferenz von der TH Köln, gefördert u.a. von der Stadt Köln, dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und der Film-und Medienstiftung NRW . Die englischsprachige Konferenz ist eine dialogorientierte Veranstaltung, die innerhalb der Sessions und auch außerhalb bei einem ergänzenden Bier die Möglichkeit zum persönlichen Austausch fördert.

Die diesjährige Ausgabe nutze zum Auftakt ein interaktives Theaterstück der Gruppe G.I.F.T. , eines deutsch-italienisch-französischen Theaterprojekts, um aktuelle Fragen aufzuwerfen zur eigenen persönlichen Verantwortung und dem moralischen Standpunkt des kreativen Schaffens, das immer auch in einem globalen politischen Zusammenhang gesehen werden muss. Das Stück „Momentum Nostrum“, das in Zusammenarbeit mit dem Cologne Game Lab entwickelt wurde, mündet in der Frage, warum und wie wir „Krieg spielen“? Und zeigt, dass die spielerisch via App abgefragten Entscheidungen zu aktuellen Fragen des Zeitgeschehen dem Theaterpublikum attestieren, dass diese in ihren Standpunkten beunruhigend stark zwischen demokratisch-liberalen und autoritär-faschistoiden Tendenzen munter hin und her schillern. Und beweist einmal mehr, dass deutlich Redebedarf besteht. Besuche auf der Gamescom führen den Besuchern Jahr für Jahr ein ums andere Mal vor Augen, wie sehr neben allen Farm- und Bauernhofspielen eben Krieg als Thema vieler Spiele Hemmschwellen aufzuheben scheint, so sehr jedenfalls, dass die Bundeswehr schon lange die Gamescom als Rekrutierungsstelle wahrnimmt. Das muß nichts Schlechtes sein, im Gegenteil, allerdings sollte es sachlich diskutiert werden dürfen. Begleitet wurde die Konferenz von einer kleinen Wanderausstellung des Computerspielemuseums Berlin, die die Meilensteine der Games-Kultur in Deutschland vor Augen führte und bei vielen der Besucher frohe Kindheitserinnerugen weckte, auch wenn man schmerzlich erkennen muss, wie sehr sich die moderne Games Kultur von den nunmehr naiv-steinzeitlichen wirkenden Spielen der 80er Jahre wegbewegt hat.

Diese historische Aufarbeitung der rasanten Spielentwicklung der letzten Dekaden wurde flankiert von einem Vortrag von Prof. Angela Schwarz von der Universität Siegen, die die historische Entwicklung des Umgangs mit Geschichte als Thema in digitalen Games kategorisierend betrachtete. So wie die Asterix-Generation die Antike über Comics kennenlernte, lernen die Millenials heutzutage über Games wie„Age of Empires“ und „Siedler“-Spiele die Historie jenseits des Schulalltags zu schätzen. Jedoch stößt das an enge Grenzen, die der heutige Zeitgeist setzt. Dies wurde vor allem in der charmanten Keynote von Maxime Durand deutlich, wohl dem ersten Franchise Historiker der modernen Welt, der in seiner Arbeit für Ubisoft Montreal die historischen Aspekte der Welt von Assasin´s Creed betreut. Seine Ausführungen zum unglaublich umfangreichen historischen Zusatzmaterial, dass diesen Spielen inzwischen beigegeben wird, war extrem beeindruckend. Nachvollziehbar, dass weltweit Lehrer und Lehrende diese Angebote inzwischen nutzen, um das lahmende Interesse der Schüler und Auszubildenden anzufachen.

Aber genau da gab es dann für den Zuhörer einen wahren Clash of Realities: Genauso wie Durand sich bemühte, die historischen Wirklichkeiten der einzelnen Episoden von Assassin´s Creed aufzubereiten, so sehr war sein wirklich redliches Bemühen dabei durch die Realitäten des Verkaufs-Marketing von Ubisoft limitiert. Die Restriktionen reichen dabei vom Verbot der Darstellung von Blut, Gewalt etc. bis hin zum positiven Benutzung von Feuer, wohl um zu verhindern dass die jungen Gamer sich zu gefährlichen Pyromanen weiterentwickeln. Jedenfalls wurde rasch klar, dass durch eben jene Vorgaben einer „Frei ab 6 Jahren“-Verkaufsmentalität eine neue, verfälschte Geschichtsrealität entstand, die viele soziale, moralische Themen wie z.B. Sklaverei oder Stellung der Frau innerhalb der jeweiligen Gesellschaft bewusst ausschließen muss. Wo da die Grenze zwischen akkurater Geschichtsdarstellung und eben auch von Geschichtsklitterung verläuft, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Diese neuen Blind Spots bergen enormen Zündstoff und werfen wieder Fragen auf, die hoffentlich auf der nächsten „Clash of Realities“ wieder in Köln diskutiert werden.

 

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