21. Oktober 2015 Johannes Wolters

THE WALK – Deutsche Fassung des Interview mit Robert Zemeckis

Interview : THE WALK by Robert Zemeckis

von Johannes Wolters (c) 2015

Stimmt es, dass Sie in einem Kinderbuch über die Geschichte von Phillippe Petit gestolpert sind?

Robert Zemeckis: Ja stimmt, das ist wahr! Es war ein kleines, illustriertes Buch mit dem Titel „The Man who walked between the Towers“ Ich selbst hatte gar keine Erinnerung an das Ereignis, das ging völlig an mir vorbei. Ich war, denke ich, zu der Zeit auf der Filmschule und hatte keine Verbindung zur Außenwelt damals. Über das Buch erfuhr ich zuerst davon und dann las ich auf dem Buchrücken, dass es sich um eine wahre Geschichte handelte. Ich habe dann recherchiert und war begeistert von der Geschichte.

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Erzählen Sie von der Grammatik des Filmerzählens in stereoskopischen 3D:

Robert Zemeckis: Das hat ja alles schon viel früher, in den Vierziger Jahren, in den Fünfziger Jahren angefangen und noch früher. Aber: Es hat meines Erachtens nie richtig funktionieren können, weil der Film damals immer noch mechanisch transportiert wurde. Jetzt mit der Einführung der digitalen Projektion, wo jetzt das Bild nicht mehr wackelt, jetzt erst kann das 3D wirklich funktionieren. Und das wird natürlich jetzt noch mit der Einführung der Laser-Projektion und mit IMAX wird das noch besser, wenn das einzelne Filmbild noch schärfer und brillianter wird. Die digitale Projektion ließ das 3D letztendlich funktionieren. Und ich glaube auch, dass niemals alle Filme in 3D sein sollten, 3D sollte eine dramaturgische Wahl sein, eine emotionale Wahl. Und es sollte organisch zu der Story passen, die man erzählen möchte. Hier, The walk, hat sich immer angefühlt wie ein Story in 3D. Der Film, den ich vorher gedreht habe, „Flight“ hätte ich niemals in 3D erwogen zu machen. Außerdem gilt: Macht man einen Film in 3D, plant man die ganze, gesamte Geschichte in 3D durch. Das Problem in Hollywood ist, dass Filme einfach nach dem Dreh einfach konvertiert werden in 3D, sie aber nicht designed waren, jemals 3D Filme zu sein. Deshalb funktionieren die dann nicht und wenn Sie Ihre 3D-Brillen während der Vorführung abnehmen, sehen Sie auch, dass die meiste Zeit das 3D auch abgestellt ist. Besonders, wenn es viele schnelle Schnitte gibt oder eine Szene eine Menge Action beinhaltet. 3D ist eine sehr spezieller Art des Filmemachens, also muß man sich bei jeder Einstellung genau überlegen, was man damit anstellen will.

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Frage: Ihre Erzählperspektive hier ist ungewöhnlich, wir bekommen die Geschichte vom Hauptdarsteller rückblickend erzählt.

Robert Zemeckis: Wissen Sie, Ich habe „The Walk“ immer als – und bei der Gelegenheit muß ich sagen, dass ich mit Planung des Films vor über 10 Jahren angefangen habe, also lange vor dem Dokumentarfilm, – also meinem Gefühl nach war das immer eine stilistische Entscheidung. Ich sehe „The Walk“ als ein historisches Gemälde, eine Interpretation dessen, was damals geschah. Weniger als eine Art detailgetreue, akkurate Wiedergabe. Es gibt nach meiner Meinung keine Möglichkeit, einen narrativen Film zu machen ohne sich gewisse Freiheiten bei der Realität zu erlauben. Also ist doch die Frage, wie entscheide ich mich, was für Freiheiten ich mir nehme? Und diese Entscheidungen müssen Sie machen, sie müssen sagen, hier dieser Teil der Geschichte ist derjenige nach meinem Gefühl, den ich erzählen will…

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Frage: Welche Schwierigkeiten hatten Sie hier, diese Entscheidungen zu treffen?

Robert Zemeckis: Dies ist der erste Film, den ich über eine echte Person gedreht habe. Petit war anfangs skeptisch, was die Verfilmung anging, aber ich verstand, was ihm so wichtig war. Das der Gang zwischen den Türmen so dargestellt werden sollte, wie es wirklich passiert ist. Das habe ich ihm geschworen. Und das Versprechen habe ich gehalten. Ich habe ihm aber auch erklärt, dass sein Leben bis zu diesem Punkt und auch der Aufbau des Coup, dass dies alles filmisch verdichtet werden musste. Seine Geschichte war viel zu ausufernd , das hätte niemals in einem narrativen Film funktioniert. Das hat er verstanden und er mag den fertigen Film sehr. Es hat alles letztlich großartig funktioniert.

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Frage: Inspiriert die Technik neue Geschichten oder findet man über Geschichten zu neuen filmischen Techniken?

Robert Zemeckis: Mein Gefühl ist, dass die ganze Technologie genutzt werden sollte um etwas künstlerisches zu schaffen. Man sollte immer vermeiden, dass einem die Technologie in die Quere kommt bei dem, was man versucht zu tun. Die Technologie sollte immer dazu beitragen, das man versucht emotional auszudrücken! Sollte! Dafür gibt es sie. Oft geht das dann durcheinander. Aber dieses Durcheinander gab es schon immer, ist doch das Filmemachen schon immer eine sehr technische Kunstform gewesen, von Anfang an. Und sie entwickelt sich da auch noch immer weiter fort. Sie wird das also immer bleiben, da wird man immer eine Balance finden müssen. Und das formt natürlich auch immer die Sprache des Kinos und verändert sie.
Ich war immer jemand, der diese zwei Dinge im Auge behalten hat. Zum einen bin ich immer auf der Suche nach neuen Techniken. Aber ich muß mich dann auch daran erinnern, was meine Aufgabe als Filmemacher ist – mein Job als Filmemacher ist (eine merkwürdige Bezeichnung, weil es inzwischen gar keinen Film mehr gibt) steht immer im Dienst einer emotionalen, berührenden Geschichte – meiner Meinung nach!

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Frage: Welchen Raum nimmt bei Ihnen die Pre-production ein – es gibt in ihrem Film so viele unglaublich visuelle Ideen, dass man meinen könnte, Sie schreiben kein Drehbuch, sondern eher ein großes Storyboard? Grandios war die Szene, wo die Kamera aus einem Artikel heraus durch die Buchstaben und einem Bild der Türme auf den Leser schaut.

Robert Zemeckis: Oh, das ist wirklich interessant, weil ich hier wirklich für mich sehr ungewöhnlich an die Geschichte herangegangen bin. Sehr gut erkannt. Ich habe den Film tatsächlich in einer Art und Weise geformt, wie ich es bislang noch nie gemacht habe. Ich habe den echten Philippe Petit vor eine Kamera gesetzt in einem Green-Screen-Studio und habe ihn tagelang interviewt. Er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, das können Sie auch im Dokumentarfilm erleben, er kann tagelang erzählen. Und ich habe all dies Material genommen und ihn dazu noch in einen Motion/Performance Capture-Anzug gesteckt. Darin hat er für mich den Gang zwischen Türmen noch einmal genau nachgespielt. Und wir haben das mit unserer modernen Computertechnik aufgezeichnet. Und mit diesem Material, den Interviews und dem nachgespielten Gang und mit historischen Fotos habe ich dann wirklich eine Animatic erstellt, also den geplanten Film aus diesem Bilder-Material zusammengebaut. Das Resultat habe ich dann in ein schriftliches Drehbuch hinterher übertragen. Und die ganzen Ideen mit dem Artikel über die Türme des World Trade Centers im Vordergrund usw., das alles habe ich da schon ausgearbeitet. Ich schrieb das Drehbuch tatsächlich visuell und habe es erst danach auf Papier übertragen. Das erste Mal, dass ich das gemacht habe.

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Frage: Wie bleiben Sie immer auf der Höhe der Zeit, was die neuen Technologien angeht?

Robert Zemeckis: Ich selbst kümmere mich eigentlich wenig darum. Ich mache das immer so: I präsentiere meinem technischen Team eine Herausforderung. Ich sage denen: Wir müssen einen Szene machen, wo er das und das tut, wo das und das passiert. Undn dann frage ich: Ist das möglich? Ich frage mein team, ob man es in einer Art und Weise zeigen kann, die man so noch nie vorher gesehen hat. Wie kann man das machen? Und dann fangen wir an Ideen zusammenzutragen und uns auszudenken, wie man die Mittel benutzen kann, die uns zur Verfügung stehen. Ich bin ja verliebt in neue Techniken. Ich finde, man kann sie wunderbar benutzen. Ich finde, man muß sich natürlich auch zusammennehmen und beschränken. Und man muß ein Zauberer sein. Man muß das alles mischen. Man kann nicht einfach ene bestimmte Technik anwenden, dann sieht der Zuschauer den Trick. Als Filmemacher muss man sich den Aufbau eines Bühnenmagiers aneignen und die Illusion so zusammenbauen, dass der Zuschauer gebannt bleibt. Also benutzt man nicht eine bestimmte Sorte von Spezialeffekten, sondern man benutzt einfach alles, was die Filmgeschichte hergibt. Den einzigen Spezialeffekt, den wir hier bei „The Walk“ nicht benutzt haben war der Zeichentrickfilm, da gab es keine Verwendung für, sonst haben wir wirklich alles benutzt.

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Frage: Haben Sie jemals daran gedacht, ihre „Zurück in die Zukunft“-Trilogie in 3D zu konvertieren?

Robert Zemeckis: NEIN! Weil ich glaube, dass Filme historische Dokumente sind. Ich halte nichts davon, zurückzugehen und alles zu digitalisieren, um dann aus Gewehren plötzlich Funkgeräte zu machen. Ich halte Filme für Entertainment, die für das jeweilige Publikum hergestellt worden sind und dadurch werden sie in diesem Moment auch zu historischen Dokumenten. Aber ich muß zugeben, dass die Filme von Zurück in die Zukunft sich sehr gut als 3D Filme machen würden. Würde ich aber trotzdem nicht machen. Sie sind aber sehr ähnlich gedreht worden, wie ich heute einen 3D Film machen würde, damals habe ich aber keinen Gedanken daran verschwendet. Aber mit meiner heutigen Erfahrung in diesem Gebiet würden sie als 3D Filme gut wirken. .

Frage: Was werden Sie am 21 Oktober machen?

Robert Zemeckis: Ich werde in Japan sein und den Film hier promoten. Aber ich werde geistig bei Ihnen sein, in jeder Zeitzone, überall!

Frage: Und haben Sie auch auf die Chicago Cups gewettet?

Robert Zemeckis:Habe ich! Eine sogenannte emotionale Wette. Ich habe gewettet, dass sie die World Series gewinnen werden!

Frage: Sir Ben Kingsley spielt eine großartige Rolle als Mentor. Wie wichtig ist so eine Figur in einem solchen Film?

Robert Zemeckis: Das ist wirklich wichtig und beinahe mythisch. Aber es ist tatsächlich so passiert, wie wir es im Film zeigen. Der Mentor ist eine wichtige mythische Figur für das Geschichtenerzählen – es gibt immer einen Lehrling und einen Meister. Man sieht das immer wieder in den dramatischen Geschichten durch alle Zeiten hindurch. Aber in diesem Falle war es auch wirklich wahr, es basierte auf der Realität, Papa Rudy ist in Wirklichkeit wirklich sehr, sehr ähnlich, wie die Figur im Film porträtiert worden ist.

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