21. Oktober 2022 Johannes Wolters

Die INDAC Kritik zu “ Die Mucklas und wie sie zu Pettersson und Findus kamen“ von Johannes Wolters

„Die Mucklas und und wie sie zu Pettersson und Findus kamen“ ist der bislang letzte Versuch das Franchise von Sven Nordqvists allseits beliebten Bilderbuchcharakteren auszupressen. Nordqvists Bücher erschienen ab Mitte der achtziger Jahre, wurden bald ergänzt von Mitmachbüchern, Liederbüchern, Kochbüchern, Wimmelbildbüchern und auch Beschäftigungsbüchern. Ab den 90er Jahren filmte die Sendung mit der Maus die Bücher ab und eine Erzählerstimme aus dem Off las sie in der Kindersendung vor. 1999 kam der erste Zeichentrickfilm für die große Leinwand aus Schweden, eine 52teilige Zeichentrickserie schloss sich an, drei weitere schwedische Zeichentrickfilme folgten bis 2009. Endlich, 2014, nach endlosen Wiederholungen, gab es das deutsche Reboot: Pettersson wurde eine reale Figur und dargestellt von Ulrich Noethen, Findus eine computergenerierte Katze aus dem Hause Pixomondo. Der finanzielle Erfolg gebar zwei Sequels 2014 und 2018, in denen Noethen quasi unbemerkt verborgen hinter schwarzem Vollbart und großem Hut von Stefan Kurt ersetzt wurde, Marianne Sägebrecht und Max Herbrechter als Beda und Gustavsson aber erhalten blieben. Und damit war das Franchise eigentlich hinreichend auserzählt. Aber es gibt ja noch die Möglichkeit der Prequels, in der Nebenfiguren ihre eiegene Backstory bekommen! Mit der neuen Produktion „Die Mucklas und wie sie zu Petterson und Findus kamen“ bekommen nun die kleinen Fabeltiere aus dem Hause Pettersson nun ihren eigenen Spielfilm. Also diejenigen, die in den Originalgeschichten von Pettersson unbemerkt blieben, von Findus gerne geduldet wurden und eine unkommentierte originelle eigene Geschichte in den Geschichte darstellten.

Vielleicht inspiriert von den Minions, bekannt aus „Ich, einfach unverbesserlich“, die aufgrund ihres sensationellen komödiantischen Erfolges, ihren eigene Filmreihe und Vorgeschichte bekamen, entschlossen sich hier die deutschen Filmemacher der vorangegangenen Pettersson-Filme zu diesem Prequel, dass die computergenerierten Mucklas mit einer theaterhaften Realfilmwelt technisch gekonnt zusammenmixt.

Die neue Film-Geschichte beginnt mit einem unglückseligen Todesfall: der alte Hausbesitzer stirbt, bei dem die Mucklas bis zu diesem Zeitpunkt vom ihm unbemerkt leben. Mucklas lieben Unordnung und verstecken gerne Dinge von Menschen, hassen Ordnung und sind damit offensichtlich sehr nah verwandt mit Klaubautermännern.

https://www.wildbunch-germany.de/movie/die-mucklas-und-wie-sie-zu-pettersson-und-findus-kamen

Ob dabei der Herzinfarkt des alten Hansson durch die Triezereien der Mucklas ausgelöst wird, oder nur zufällig auftritt, bleibt dahingestellt – das Haus muß jedenfalls neu vermietet werden und gelangt nicht an die reizende Konditorin Molli (ChrisTine Urspruch), sondern an den finsteren Kammerjäger Karl, dargestellt von Uwe Ochsenknecht. Der Kammerjäger kann die Mucklas zwar nicht sehen, aber anders als andere Menschen riechen und spürt ihnen bald nach, um das in seinen Augen Ungeziefer zu vertreiben oder gar schlimmeres anzurichten. Außerdem entpuppt sich seine Ordnungsliebe höchst unkompatibel zu der Lebensweise der Mucklas und so sendet der alte und weise Anführer der Gruppe drei junge Mucklas aus, um eine neue Bleibe zu finden. Der sprachlich herausgeforderte kleine Svartö (offensichtlich angelegt als Jar Jar Binks jüngerer Bruder), die muntere Svunja und der draufgängerische Tjorben, eine Art Vater-Mutter-Kind Combo, erleben nun einige Abenteuer und treffen eine Reihe von ungeschickten Entscheidungen, bis sie endlich – und das ist jetzt kaum ein Spoiler, weil im Titel des Films bereits verraten – ihren Weg hin zu Pettersson und Findus finden. Dafür brauchen sie gut 80 Minuten und die werden für Kleinkinder und Eltern recht lang. Man kann ja über den Sinn und Unsinn von Preschool-Kinofilmen trefflich streiten, aber vielleicht sollte man ein paar Gesetze der Filmgrammatik selbst da einhalten. Es wäre nicht falsch, die Hauptfiguren als liebenswert darzustellen, um sie von dem Bösewicht der Geschichte, Karl ein wenig abzusetzen. Spätestens, wenn das Trio das Haus von Konditorin Molli in die Luft sprengt, während Molli und Karl sich dort bei einem Rendezvous näherkommen, gerät man als Zuschauer in die Bedrouille, dass man nicht mehr zwischen Opfer und Täter, zwischen Held und Bösewicht unterscheiden kann. Ochsenknechts Darstellung des manisch obssessiven Kammerjägers geht weit über die Grenzen guter Schauspielkunst hinaus, ChrisTine Urspruch wird kaum gefordert. Immerhin erfahren wir letztendlich mehr über die Charaktere Karl und Molli als über die titelgebenden Mucklas, deren Vergangenheit, Geschichte, Existenz und ihre merkwürdige Abhängigkeit von Menschen nicht wirklich näher erläutert wird.

Die Entscheidung, sich komplett von dem ursprünglichen Design der Mucklas in den Kinderbücher und früheren Verfilmungen zu trennen und sie völlig neu zu gestalten, ist verwegen, findet ihre Berechtigung allenfalls in Hinsicht auf potentielles Merchandising – der Bilderbuch-Charme der alten, vertrauten Figuren ist nicht mehr vorhanden. Die Mucklas bekommen immerhin eine merkwürdig abgründige Religiösität zugesprochen, die von spirituellen Flaschendrehen über magische Utensilien bis hin zu kryptischen Prophezeiungen reicht – und die am Ende vom weisen Anführer plötzlich selbst als Mumpitz abgetan wird. Kaum etwas macht hier also Sinn, manches gerät gar surreal, wie etwa der bemerkenswerte, weil völlig sinnfreie Zwischenschnitt auf zwei schachspielende weisse Ratten, während einer unmotivierten Achterbahnfahrt in einer Bergwerks-Lore a la Indiana Jones- die allerdings ohne dessen Charme und Spannung. Da hat man als Elternteil aber bereits dem erwachsenen Gehirn schulfrei gegeben, während sich die Kleinen noch abmühen, Sinn und Verstand in die chaotischen Abläufe zu bringen. Auf der Habenseite eine schöne Ausstattung und ein Colorgrading, dass die Farbe in derzeit gewohnter deutscher Kinderfilmmanier auf höchste Stufe dreht, so das man meint, selbige kleckst gleich von der Leinwand in den Zuschauerraum. Und der Film hat auch die angenehme Eigenschaft, dass man beim Anschauen bereits vergisst, ihn gesehen zu haben. Gemacht von Erwachsenen, die vergessen haben, dass sie selbst mal ein Kind waren für Kinder, die alles widerspruchslos hinnehmen.

Johannes Wolters

Die Filmdienst-Version der Kritik findet sich hier:

https://www.filmdienst.de/film/details/619618/die-mucklas-und-wie-sie-zu-pettersson-und-findus-kamen#kritik

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Comment (1)

  1. Nils Krebber

    Nur kurz ein Kommentar zum Anfang. Hansson hat keinen Herzinfarkt, sondern erstickt an der Praline, die unsere „Helden“ auf die Lampe geschossen haben. Kinder dürfen dich also ab jetzt fragen, wann die Mucklas wohl Petterson umbringen…

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