22. Mai 2019 Johannes Wolters

Die INDAC Kritik von Johannes Wolters zu Guy Ritchies „Aladdin“

Also vorab erst mal Entwarnung. Der erste Trailer hatte ja nun doch für einige Aufregung gesorgt. Disneys Neuverfilmung des berühmten orientalischen Märchens „Aladin“ ist kein Flop, sondern eine SOLIDE, bunte Neubebilderung, die im vfx driven „Live Action“ daherkommt (ein „Hybrid“ halt…). Zwar greift das Werk auf die Designs und Songs der berühmten und unerreichten Zeichentrickfilmversion zurück, aber weil eben „Live Action“ ist es eher doch an der berühmten MichaelPowell/Ludwig Berger Verfilmung „Der Dieb von Bagdad“ von 1940 zu messen.

Natürlich kommt das neue Werk gegen keinen der beiden Filme an, aber wenn man völlig unbeleckt zum ersten Mal auf die Welt aus 1001 Nacht trifft, auf fliegende Teppiche, böse Wesire und Geistern in Wunderlampen, gibt  es eigentlich erstmal nicht viel auszusetzen.

ABER das ist es dann auch schon, denn kennt man entweder die alte Version mit Conradt Veidt als bösem Wesir oder eben die berühmte Robin Williams Interpretation des Lampengeists, im Deutschen damals kongenial von Peer Augustinski synchronisiert, dann schwächelt  die Neuverfilmung leider mit zahlreichen Storypatzern, die vermutlich dem Zeitgeist zuzuschreiben sind, der heimlich in jeder Szene des Films das Geschehen kontrolliert und diktiert und so die Filmmagie sich einfach nicht entfalten läßt

In Guy Ritchies Neuverfilmung, ja genau, der Regisseur der uns mit „Sherlock Holmes“ vormals begeisterte und mit „King Arthur“ zuletzt vergraulte, ist nämlich nichts mehr so eindeutig, um was oder wen es hier eigentlich geht. Denn genau wie bei allen „Neuinterpretationen“ der Disney Live Action Schiene muß es immer  neue Twists geben, um dem Zuschauer neues Futter zu geben, aber eben dies nutzt Disney hier vor allem um vermeintliche Fehlervermeidung der Vergangenheit zu betreiben, also jetzt ziemlich scharf die  Thematiken „Political Correctness“, Vermeidung von rassistischen Stereotypen und #MeToo-Gender-Gleichberechtigung zu betreiben! Das kann durchaus brilliant glücken, wie in der unglaublich gut geschriebenen „Disney Prinzessinen Szene bei „Chaos im Netz/Ralph breaks the Internet)“, die ich zu den genialsten Szenen in der Animation des 21. Jahrunderts zähle. Wie auch im gleichen Film bei der anschliessenden Slaughter Race Muscial Nummer, bei der der fulminate „I want“ Song ebenfalls von Alan Menken stammt, der auch hier bei Aladdin zu seinen legendären alten Songs leider einen komplett neuen Song beisteuert.  Der soll  Prinzessin Jasmin ein zeitgemäßeres Character Design verpassen, zerstört aber die Erzählstruktur damit leider nachhaltig.  Denn den Hauptcharakter einer Filmerzählung in der Mitte eines Films zu wechseln ist eine Aufgabe, die Alfred Hitchcock in Psycho meisterte, Guy Ritchie aber anscheinend völlig überforderte. Und so bricht der Film an dieser Stelle komplett auseinander, um dann mehr recht oder schlecht, rumpelnd einem vertrauten Happy End entgegen zu schlingern.

Aladdin (2019) erzählt eigentlich, dass gesellschaftliches Ansehen nicht an Reichtum und Geburtsrechte sondern an Talent und Intelllgenz gebunden sein soll. Die Neuverfilmung lässt dabei den Ort der Handlung in einer geglückten Mischung von Orient und Bollywood uneinordbar daher schillern. Das die Tochter des Sultans, Prinzessin Jasmin nur einen ebenbürtigen Prinz heiraten darf, läßt die Romanze zum Straßendieb Aladdin, auf den die Prinzessin incognto bei einem heimlichen Ausflug in die Straßen Agrabahs trifft, unmöglich erscheinen. Doch Aladdin ist ein ungeschliffener Diamant, eine reine Seele, der mit allen Wassern und Witz des Armenviertels gewaschen ist. Der böse Wesir erkennt das Potential des harmlosen Gelegenheitsdieb und benutzt ihn, um an eine Wünsche erfüllende Wunderlampe zu gelangen. Das geht bekanntermaßen schief, die Lampe und der darin wohnende blaue Dschinn fällt in die Hände Aladdins, der jetzt drei Wünsche frei hat. Will Smith spielt den sehr bald normalfarbenen blauen Flaschengeist gewohnt sympathisch in einer Neuauflage einer seiner sympathischten Rollen, Hitch, dem Date Doctor. Denn schwupps geht es nicht mehr um Wünscherfüllung, sondern nur noch darum, wie Aladdin das Herz und die Hand seiner geliebten jasmin erobern kann. Mit erzauberten Prinzen-Titeln oder aber vielleicht doch, in dem er einfach er selbst ist? Hier entfaltet der Film seinen größten Charme, auch weil dem Dschinn in der Kammerzofe der Prinzessin ein gleichwertiges Pendant entgegengestellt wird und sich so eine Doppelromanze entwickelt. Dann aber leider der Auftritt des bösen Wesirs, dem der neue Song von Prinzessin Jasmin folgt. Und den anschliessenden Dialogen zwischen Wesir, abgesetzten Sultan und Chef der Palastwache und der Prinzessin, die von völlig verzweifelten Drehbuchautoren niedergeschrieben sein müssen. Die Legitimation von legendären Herrschern ist seid Monty Pythons „Die Ritter der Kokosnuss“ irreparabel“ dahin „Strange women lying in ponds distributing swords is no basis for a system of government. Supreme executive power derives from a mandate from the masses, not from some farcical aquatic ceremony. You can’t expect to wield supreme power just ‚cause some watery tart threw a sword at you!“ Das wird dem britischen Regisseur bekannt gewesen sein und triggerte vielleicht das größte Problem des Films. Guy Ritchie findet nämlich für die Amtsübertragung eines orientalischen Potentatentitels nur das Bild eines Turbanwechsels, die eigentliche Macht geht in diesem Sultanat tatsächlich vom Anführer des Militärs aus. Und der steht auch den eigentlich als „allmächtig“ definierten Kräften eines Flaschengeists unanfechtbar gegenüber! Demokratische Gewaltenteilung in einem mittelalterlichen Märchenland. Jawohl, Trump sei Dank! Und die endgültige Machtübergabe am Ende des Films funktioniert dann merkwürdigerweise plötzlich mittels eines nicht näher definierter Rings. Sorry, da passt am Ende gar nichts mehr zusammen, mindestens zwei bis drei verschiedene Drehbuchfassungen liegen deutlich sichtbar miteinander im Clinch, die Auflösung der Handlung gerät entsprechend unbefriedigend für den Zuschauer.

Will Smith schlägt sich in der undankbaren Rolle des Dschinns ungeheuer sympathisch brav, Naomi Scott als Prinzessin Jasmin ist brilliant, den Storyzusammenbruch kann sie nicht aufhalten. Aladdin-Darsteller Mena Massoud schwächelt dagegen ein klein wenig, aber bei weitem nicht so sehr, wie der Bösewicht der Geschichte Marwan Kenzari als Wesir Dschafar. Andras Deja animierte Version, die auf Conrad Veidts berühmter Interpretation beruhte, war überraschenderweise wohl das größte Problem für das Team um Guy Ritchie, weniger also der blaue Dschinn mit der Stimme und vor allem dem Herz von Robin Williams.

Der Film schillert letztlich unentschlossen zischen bunter Broadway-Märchenverfilmung a la Bollywood und völlig deplazierten  #MeToo Politdrama hin und her, weist eine Reihe von hübschen und amüsanten Momenten auf, hinterläßt aber beim Rezensenten einen ziemlich mißglückten Eindruck. Für den rheinischen Karnevalserprobten Zuschauer ist übrigens der Einzug von Prinz Ali in Agrahbah eine C- Version einer Tanzparade der roten Funken, ein Sandburgen-bauender fliegender Teppich zaubert aber dennoch ein Lächeln ins Gesicht des oder derselben.

 

 

 

 

 

 

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