10. Januar 2024 Johannes Wolters

DIAF, Dresden: Dramaturgin und frühere Filmreferentin Hedda Gehm verstorben | Nachruf von Jörg Herrmann

Hedda Gehm 2022 bei der Eröffnung der DIAF-Märchen-Ausstellung. ©DIAF/Steffen Füssel
[Foto: Hedda Gehm 2022 bei der Eröffnung der DIAF-Märchen-Ausstellung. ©DIAF/Steffen Füssel]

Wenige Tage vor ihrem 81. Geburtstag ist Hedda Gehm, Dramaturgin im DEFA-Studio für Trickfilme Dresden und frühere Filmreferentin im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, verstorben. Damit hat nicht nur das DIAF ein aktives Mitglied verloren, sondern auch die Dresdner Filmszene eine engagierte Streiterin für den (animierten) Film. Bis zuletzt hat Hedda Gehm als Dramaturgin Projekte betreut.

Von der Theaterwissenschaft zum Trickfilm

Hedda Gehm wurde am 5. Januar 1943 in Halle an der Saale geboren. Dort besuchte sie auch die Schule und legte das Abitur ab. Nach einem praktischen Jahr in der Produktion studierte sie von 1962 bis 1966 Theaterwissenschaften an der Theaterhochschule Leipzig. Einem ihrer Dozenten war aufgefallen, dass sie Fabeln und literarische Parabeln auf verschiedene Deutungsmöglichkeiten untersuchte und analysierte. Er schlug ihr vor, das anstehende Praktikum im Trickfilmstudio der DEFA in Dresden zu absolvieren. Sie reichte ihre Unterlagen ein und begann im Sommer 1964 das Praktikum.

Ein wegweisendes Praktikum

Rudolf Thomas, einer der erfahrenen und erfolgreichen Dramaturgen des Studios, betreute sie und sorgte dafür, dass sie die unterschiedlichen Tricktechniken und Ausdrucksformen direkt in den Drehstäben und bei der Produktion kennenlernen konnte. Zuerst war Hedda Gehm im Stab Günter Rätz und hat bei der Puppenanimation geholfen. Dann kam sie zu Otto Sacher in den Zeichentrick und verschaffte sich einen Überblick zur Technologie und den Ausdrucksmöglichkeiten des gezeichneten Films. Danach konnte sie in der Dramaturgie des Studios bei den literarischen Vorarbeiten und der Stoffentwicklung Kenntnisse erwerben. Sie bekam eine sehr gute Beurteilung und äußerte den Wunsch, beim Trickfilm zu arbeiten. Aber als sie sich 1966 nach ihrer Diplomprüfung ordentlich bewarb, erhielt sie eine Absage, da der Stellenplan ausgelastet war und keine neue Stelle in Aussicht stand. So begann ihr Berufsleben am Theater in Rudolstadt als Dramaturgin für Schauspiel.

Dramaturgin bei mehr als 100 Trickfilmen

1967 wurde im Dresdner Studio in der Abteilung Dramaturgie eine Stelle frei. Da erinnerte man sich an die engagierte Hedda Gehm und sie konnte am 1. Juli 1967 einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschreiben. Der erste Film, an dem sie die Stoffentwicklung gemeinsam mit Rudolf Thomas bewerkstelligte, war natürlich ein Zeichentrickfilm und zwar 1969/70 Ehret die Frauen von Otto Sacher und Klaus Georgi. Oft arbeitete sie mit Katja und Klaus Georgi zusammen, ebenso mit Lothar Friedrich und Walter Später. Als Dramaturgin kümmerte sie sich zudem um die Vater-, Theo- und Mausi und Kilo-Serien. In den 80er Jahren wirkte Hedda Gehm auch als Autorin und realisierte besonders mit Sieglinde Hamacher interessante und bedeutende Filme. Sie betreute zudem die Silhouettenfilme von Manfred Henke.

Hedda Gehm und Jörg Herrmann bei der Arbeit an Der siebente Rabe (2011). ©mediahaus Kreischa

Abwicklung des Studios und geschickte Rettungsaktion

1990 übernahm sie als Chefdramaturgin die Leitung der Abteilung und erlebte die Abwicklung des Studios in der Funktion der Chefredakteurin.

1992 begann sie als Referentin für Film und Bildende Kunst im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und arbeitete dort bis zu Pensionierung 2006. In dieser Zeit hat sie maßgeblich an der Gründung und am Ausbau des DIAF mitgewirkt. Ihrer fast konspirativen Arbeit als „Strippenzieherin“ auf politischer Ebene ist es zu verdanken, dass die überlieferten und geretteten Materialien aus dem DEFA-Studio für Trickfilme Dresden in ihrer „Heimatstadt“ verbleiben durften. Die Treuhand willigte ein – einen Tag, bevor der Transport nach Berlin gehen sollte. Hedda Gehm organisierte auch das Domizil für das frisch angelegte Archiv in den Technischen Sammlungen mit – und nicht zuletzt Gelder für Gehälter und die Installation einer Dauerausstellung zur Dresdner Trickfilmproduktion. Außerdem baute sie die kulturelle Filmförderung in Sachsen auf und ermöglichte zahlreichen Filmemachern, ihre Projekte zu realisieren. Parallel war Hedda Gehm als Gutachterin bei der Filmbewertungsstelle Wiesbaden tätig.

Als Autorin hat sie nach 2006 an vielen Projekten im mediahaus Kreischa mitgewirkt, z. B. dem Langfilm Der siebente Rabe zum Krabat-Thema.

Am 1. Januar 2024 ist Hedda Gehm verstorben.

 

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