31. März 2017 Johannes Wolters

Die Indachs Kritik von Moritz Bunk zu Paramounts „Ghost in the Shell“

Ghost in the Shell – Ein bildgewaltiges Spektakel mit vielen Hoch- aber auch ebenso vielen Tiefpunkten

Der Hollywood Kinofilm ‚Ghost in the Shell‘ von Rupert Sanders basiert auf dem japanischen Manga von Masamune Shirow, einem vielbeachteten Manga aus den späten achtziger Jahren, das in den fast dreißig Jahren seit seinem Release bereits zu verschiedenen Kinofilmen und animierten TV-Serien adaptiert wurde.

In der nahen Zukunft des 21. Jahrhunderts sind die Trennlinien zwischen Mensch und Maschine nicht mehr klar zu erkennen. Von kleinen Chips im Gehirn, die es dem Träger ermöglichen, sich ohne Zwischengeräte mit Netzwerken zu verbinden, über Augen-, Arm-, oder Beinprothesen, die den Träger zu einem Cyborg machen, bis hin zu Robotern die am täglichen Leben teilnehmen und gesellschaftliche Funktionen innehaben, ist alles möglich.

Die Krönung dieser technischen Entwicklungen, und das am weitesten entwickelte Testobjekt von Hanka Robotics, einer zunächst nur obskuren Firma, die im Namen der Regierung an diversen Forschungsprojekten maßgeblich beteiligt ist, ist unsere Protagonistin Major, gespielt von Scarlett Johansson.

Major ist Teil einer Spezialeinheit der Regierung, die sogenannten Cyber-Terroristen das Handwerk legen soll. Major hat zwar ein menschliches Gehirn, aber sonst einen mechanischen Körper, so dass das beste von beiden Seiten der Schöpfung miteinerander vereint worden ist, so meint es zumindest Hanka Robotics.

Major soll als Kind einen schweren Unfall erlitten haben, der ihren Körper vollends zerstört hat. Hanka Robotics hat ihr ein zweites Leben ermöglicht, indem die Firma ihr Gehirn und damit ihren Ghost in ihren neuen Körper, oder ihre neue Hülle verpflanzt hat – die besagte Shell. Major kann sich an ihr Leben vor dem Unfall nicht erinnern, und klammert sich deshalb an diese Narrative als die einzige Verbindung zu ihrer menschlichen Seite, ihrer wahren Identität. Aber dann kommt sie durch eine Serie von Anschlägen einem besonders mächtigen Cyberterroristen auf die Spur, und je näher sie ihm kommt, desto mehr beginnt ihr Identitätskonstrukt in sich zusammenzufallen.

So gesehen ist der Film ein coming-of-age film, in dem unsere jugendliche Protagonistin damit anfängt, die Wahrheit, die ihr als absolute Wahrheit präsentiert worden ist, zu hinterfragen, und sich ihre eigene Version der Wahrheit zu erkämpfen. Dabei gilt es einige Verschwörungen aufzudecken, und gefährliche Gegenspieler zu entlarven, die alles daran setzen, genau das zu verhindern.

Der Film ist weitestgehend solide gemacht, wie man es bei einem Blockbuster aus Hollywood erwarten kann. Scarlett Johansson kann für diesen Film auf ihre Erfahrungen aus “Lost in Translation”, “Her” und “Under The Skin” zurückgreifen, wo sie in dieser Reihenfolge eine junge Frau spielt, die sich völlig allein in einer fremden Kultur zurecht finden muss, ein Computerprogramm ist, dass seine menschliche Seite entdeckt, und sich als metaphysische Entität mit einem fremden Körper anfreunden muss. Johansson spielt Major in Dialogsequenzen mit anderen Charakteren sehr steif, aber im Polizeieinsatz als eine perfekt auf diese Aufgabe ausgerichtete Maschine, was sicherlich kein Zufall ist. Leider bleiben ihre Interaktionen mit anderen Charakteren auch bis zum Ende hin genau so steif, wie sie angefangen haben, obwohl ihre gesamte Lebensgeschichte im Laufe des Films vor ihren Augen einmal auseinandergenommen, und wieder neu zusammengesetzt wurde. Diese dramatisch veränderte Sichtweise auf sich selbst wirkt sich aber kaum auf ihr linkisches Verhalten aus, und macht es dem Zuschauer leider auch bis zum Schluss nicht leichter, sich mit ihr zu identifizieren.

Das Drehbuch entwickelt sich nach der oben zusammengeschriebenen Exposition, die in den ersten zehn Minuten des Films stattfindet, relativ vorhersehbar, was nicht heissen soll, dass die Geschichte nicht trotzdem Spass machen kann. Die Dialoge tragen allerdings nicht wirklich zur Charaktisierung der Figuren bei, sondern dienen eher zum Voranbringen des Plots. Teilweise wird auf Dialog sogar ganz und gar verzichtet, und der Subtext wird einfach direkt ausgesprochen. Gegen Ende des Films lässt das Drehbuch dann wirklich sehr nach, und die letzten wirklichen Chancen auf eine Charakterisierung und damit eine Annäherung an die Figuren werden leider auch noch vertan, was wirklich schade ist.

Der Schnitt ist weitestgehend solide, obwohl er an ein, zwei Stellen etwas holpert. Auf eine Actionsequenz folgt an einer Stelle eine mit der Chronologie schlüssig verbundene Suspense-geladene Sequenz, in der Major nach der Stürmung einer Bar dem Antagonisten in einem düsteren Tunnelsystem nachstellt. Gerade in dem Moment, wo man in der ruhigeren und spannenderen Atmosphäre angekommen ist, wird man durch einen kurzen Zurückschnitt zum Actionschauplatz völlig aus dem Moment geworfen. Zwei Explosionen und das darauffolgende Chaos werden kurz noch gezeigt, bevor der Film dann wieder zusammenhangslos zu der Suspense-geladenen Verfolgungsjagd zurückschneidet. Die Immersion wird hier zumindest zeitweise verspielt – auch das bringt einen der Story nicht näher.

Ein tiefer Graben tut sich auf zwischen der Qualität des Gunplays, und der Qualität des Hand-To-Hand-Combats, zwischen denen in Actionsequenzen nahtlos hin und her gewechselt wird. Das Gunplay wartet meistens mit schönen Soundeffekten und satten Treffern auf, so dass man die Wucht der Waffen sehr gut nachempfinden kann. Leider ist es das Gegenteil beim Hand-To-Hand-Combat, der, bis auf eine Kampfszene vor der nächtlichen Skyline der fiktiven Stadt, leider überhaupt nicht überzeugt. Arme werden zwar gedreht, Tritte und Schläge werden ausgeteilt, und Körper fliegen durch die Luft, aber eine glaubhafte Verbindung von dem einem zum anderen kommt selten zustande.

Die VFX sind ebenfalls eine Berg-und-Talbahnfahrt. Manche Szenen, wie zum Beispiel solche, die Augmented Reality darstellen, sind sehr solide gemacht und sehen toll aus, während vor allem Kamerafahrten durch die futuristische Großstadt und Actionsequenzen mit Autos erstaunlich billig wirken.

Ein Fazit ist nicht einfach zu ziehen. Unterm Strich kann einem der Film zumindest stellenweise durchaus Spaß machen. Insgesamt fügen sich aber die vielen Einzelteile, aus denen der Film besteht, leider nicht zu einem runden Projekt mit einem soliden Qualitätsstandard zusammen. Das Highlight des Films ist vielleicht Takeshi Kitano, der einmal mehr mit gewohnter Überzeugung seinen stone-faced tough-guy gibt, und dabei ironischerweise menschlicher rüberkommt als die meisten anderen Charaktere. Lobend zu erwähnen ist auch noch Juliette Binoche, deren Charakter als einzige eine glaubhafte Entwicklung durchmacht.

Moritz Bunk

http://embie.webs.com/aboutme.htm

Moritz Bunk

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