28. Mai 2016 Johannes Wolters

Teil 2 der Kommentare zum Kommentar: „Bemerkungen zur Preschool-Falle des deutschen Animationsspielfilms“

Nach zwei Blog-Kommentaren meinerseits, zum einen: „Währenddessen in Deutschland“ und zum anderen „Bemerkungen zur Preschool-Falle“ gibt es von Eurer Seite jede Menge Kommentare – Hier zum immer wieder Nachlesen, die zweite Ladung, es folgen weitere Posts zu diesem Thema, hoffentlich mit noch mehr Kommentaren, Vorschlägen, Gründen für und wider der geäußerten Meinungen. Wir wissen alle zuwenig und tauschen uns zu wenig aus. Ich finde es toll, das es hier einen Beginn zu einer grundsätzlichen Diskussion gibt! Ich freue mich deshalb ungeheuer über weitere Wortmeldungen. Und bitte teilt dies nach Euren Möglichkeiten mit Euren Freunden und Kollegen.

Hier der Link zu den ersten Kommentaren!

Hier also die Kommentare von Moritz Mayerhofer und Matthias Backmann, über die ich mich sehr gefreut habe, vielen Dank!

 

Kommentar von Moritz Mayerhofer:

Hi Johannes,
Danke für deinen super Kommentar. Du sprichst vielen aus der Seele. Es ist schwer sich kurz zu halten, denn die Probleme sind umfassend und mit einander verknüpft. Es ist schwer den Status Quo den wir hier in Deutschland haben zu ändern – Doch was ist in der Diskussion überhaupt ausschlaggebend?
> Finanzieller Erfolg? (also ein Plus machen?)
oder
> Dass wir hochwertige/gute Filme produzieren (inhaltlich/narrativ/technisch vielseitig und niveauvoll) und so national und international ernst genommen werden?

Potential ist in Deutschland unbestritten vorhanden. (Erfolg im Kurzfilmbereich, super Ausbildungsstätten, etc.) Doch am Ende kommt einfach zu wenig raus.

Wer ist involviert?
Geldgeber, Schaffende und Publikum.
Solange der Status Quo für Geldgeber funktioniert wird sich doch nichts ändern:
Franchise + etablierte Produktionsfirma + etablierter Regisseur und bissl Stars – das funktioniert überall. Mal mit mehr, mal mit weniger Geld.
Das Publikum hat keine Ahnung was Animation aus Deutschland ist und sieht sowieso lieber Filme aus den USA. Zur Not halt mal einen Kinderfilm, weil das Lieblingsbuch vom Junior verfilmt wurde.

Nur der finanzielle Misserfolg könnte da eine Ausrichtung ändern. Aber ich bezweifle das sehr. Als Kind schaut man sich doch alles an – die Eltern müssen halt mit.
Das Amerikanische Fernsehen hat es in Teilen vorgemacht: Überrascht uns! Zeigt und was neues!
BÄM!
Der kulturelle Misserfolg (wer kennt im Ausland einen deutschen Animationsfilm?) ist doch wirkungslos. Denn wie schon erwähnt ist Animation auch im Inland zu unwichtig und wieso soll man sich ernsthaft aufregen wenn man alle Jahre mal einen Oscar für einen Film zur NS- oder DDR-Vergangenheit bekommt.

Wenn Geld im Spiel ist, will man doch möglichst wenig Risiko eingehen – doch das Risiko gehört zum Film.
Das finanzielle Risiko hört aber meinem Verständnis nach auf, wenn man jedes Jahr per Dauerauftrag Milliarden von Euros bekommt (Steuer/Rundfunkbeitrag) und trotzdem nichts ausprobiert. Ist da etwa Angst im Spiel?

Ich denke zu einer Veränderung müssen alle ihren Teil beitragen:
Filmemacher die ihre Filme so gut entwickeln, dass an ihnen kein Weg vorbei führt, Redakteure die sich mit Animation wirklich auskennen, Sender die lieber im eigenen Land produzieren lassen als den größten Teil im Ausland einzukaufen (bislang mind. 93%!!!), Gesetze die Produktionen in Inland fördern (Quote o.ä.) und Förderungen die offener für neue Projekte sind!

Dazu sollte der Inhalt wichtiger sein als die Oberfläche.
Wenn wir weiter versuchen mit 5%-10% der US Budgets vergleichbare Filme zu machen können wir doch nur scheitern!
Dänemark, Spanien, Brasilien, Israel, … können als Gegenentwürfe dienen.
> ‚Psychonautas‘ (1 Mio.), ‚Boy and the World‘ (500k) waren günstiger als ein Tatort hierzulande.

‚Walz with Bashir‘ und ‚Terkel in Trouble‘ waren ebenfalls sehr preiswert.
Billiger ist natürlich nicht besser – das zeigt uns u.a. das System Nollywood (Nigeria).
Aber bei günstigeren Filmen lässt sich zumindest das Risiko kleiner halten. Sprich: Lieber 4 Filme für je 2 Mio. machen als einen für 8.
Zumindest um endlich mal was neues zu machen!
Risiko streuen, unbedingt auffallen – national, international – so entwickelt sich die Chance auf finanziellen Erfolg und darauf könnte man wiederum aufbauen und langsam wachsen.

Die grade angesprochenen Filme zeigen Mut zu einer eigenen Handschrift, Starke Art Direction und eine eigene Erzählweise.
Wir sollten zudem noch stärker international denken – wie auch immer das mit dem deutschen FFG vereinbar ist (Sprich: Deutsche Kultur/BAFA-Kriterien/ etc.). Wieso nicht mal Science-Fiction, Fantasy oder Horror als Animationsfilm? Aber da überschneiden wir uns schon mit den Problemen des Genrefilms!

Was mir Mut macht ist, dass aktuell ein paar jüngere Animationsfilmregisseure in den Startlöchern für ihre Feature-Debüts stehen. Ich drücke ihnen feste die Daumen, dass sie den Esprit aus ihren Kurzfilmen einbringen und die Franchise-Projekte etwas beleben können. Wenn sie damit Erfolg haben, können sie die Industrie vielleicht etwas in Schwung bringen.
Auch wenn es nicht einfach ist: In jedem Fall müssen wir alle dran bleiben – wir haben es selbst in der Hand!

 

Kommentar von Matthias Backmann:

Du hast recht: Das Szenario, ein Disney-Film würde mit seiner Story keine Förderung in Deutschland bekommen, klingt schon fast zu plausibel. Ich frage mich vor allem, für wie simpel diese Leute Kinder einstufen?
Meine Kindheit und Jugend (Kind der 90er) ist eindeutig Disney-geprägt. Und bekanntlich sind Disney-Charaktere zumeist Waisenkinder (http://www.huffingtonpost.de/2014/09/16/disney-charaktere-keine-mutter_n_5829952.html), Bösewichte fallen immer in den Tod (https://www.youtube.com/watch?v=mNDHrY4D-9s) und einen heißgeliebten Charakter hat man immer (beinahe) verloren. Das kann ja nur zum Trauma führen, dass schlimmer ist als jedes „Killerspiel“! Dschungelbuch und Aristocats (in ihren Wiederaufführungen), Die Schöne und das Biest, Arielle… das waren meine Filme als „Preschooler“. Ob ich mir heutzutage als 4-6-jähriger wohl anstatt dessen Biene Maya oder Ritter Rost anschauen würde? Oder ob meine Eltern das mitmachen würden?
Natürlich habe ich geheult, als Balu der Bär leblos in einer Pfütze lag. Aber der Film hat mich auch wieder aus diesem Loch herausgezogen. Und auch Mufasa lebt weiter in Simba! Kann man Kindern also diese dramaturgische Achterbahnfahrt zutrauen? Ich denke, mit kleineren Einschränkungen (zu kompliziert sollte es nicht werden): Ja!
Mit deutschen Animationsfilmen bin ich dann wohl erst in der Jugend in Kontakt gekommen: Die pubertären „Meisterwerke“ von Brösel und Walter Moers: Werner und Das kleine Arschloch. In diese Reihen sind auf jeden Fall auch Fördergelder geflossen. Der pädagogische Wert ist eher gering, aber die Filme sind ein Beweis für das Genre, das in Deutschland für die erfolgreichsten nationalen Filme steht (gemessen an Zuschauerzahlen im Kino): Komödien (http://www.insidekino.com/DJahr/DAlltimeDeutsch50.htm).
In genau dieses Genre fallen auch alle Filme von Disney/Pixar, Dreamworks, etc. und ziehen sämtliche Altersklassen in die Kinos. Und was sie so verdammt gut macht, ist, dass sie eine simple Story, die auch kleine Kinder verstehen, so vertiefen, dass auch Erwachsene angesprochen werden. Inside Out ist ein gutes Beispiel: Die Geschichte, dass ein Mädchen mit ihrer Familie in die Großstadt zieht und Freunde und Hobbies zurücklassen muss, ist nichts Neues. Aber diese Geschichte im Kopf nachzuerzählen, mit all den Seitenhieben (Déjà-Vus, Ohrwürmer, Gedankenzüge, Traumfabriken, Déjà-Vus,…), ist genial! Und das ist keine Sache der Technik, sondern gutes Storytelling!
Dass in Deutschland ein VFX-Blockbuster produziert werden kann, der es mit den großen aufnimmt, bezweifele ich, aber da haben die deutschen Studios trotzdem ihren Anteil. Aber die technischen Möglichkeiten, einen guten Animationsfilm zu kreieren, sind vorhanden – Filme wie Oops, die Arche ist weg oder Konferenz der Tiere sehen echt gut aus. Es sind die Geschichten, die fehlen. Vielleicht gibt es durch Crowdfunding oder Netflix-/Amazon-Produktionen ja neue Möglichkeiten, vielleicht schaffen es Manou, Richard oder die Happy Family, internationale Aufmerksamkeit zu erregen. Aber ansonsten kommen wir wieder zur anfänglichen Frage: Wie viele potentielle Obens, Könige der Löwen und Frozens sind wohl schon am Fördergremium hängengeblieben und sind damit aufgrund des Systems in Deutschland disqualifiziert?

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