29. Februar 2024 Johannes Wolters

Die INDAC-Kritik von Johannes Wolters zu „Dune – Part Two“

Wenn etwas so komplexes so mühelos daherkommt, weiß man, man sieht ein Meisterwerk.

Vorweg, das ist ein grandioser Kinofilm, mit der Betonung auf Kino, hinsichtlich Leinwandgröße und ebenso wichtig adäquates Soundsystem, vorzugsweise Dolby Atmos. Ich habe den Film im Kino 4 des Cinedoms in Köln angeschaut, beste Bedingungen also für ein großartiges Kinoerlebnis.

Dune – Part Two“ ist kein neuer Teil, es ist eine direkte Fortsetzung des ersten Teils, Dune aus dem Jahre 2021 und erzählt die Geschichte von Paul Atreides bis zu dem Punkt weiter, wo auch die Buchvorlage, der Welt-Bestseller „Dune – Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert endet. Sehr sinnvoll also, wenn der geneigte Leser sich vor dem Anschauen des neuen Films den ersten Teil (nochmals) anschaut, das wird den Genuss des zweiten Teils enorm erhöhen.

Und natürlich als Filmliebhaber sollte man/frau vielleicht die Gelegenheit nutzen, sich David Leans Meisterwerk „Lawrence of Arabia“ anzuschauen, die Geschichte von T. E. Lawrence, eine der wesentlichen Inspirationsquellen für den Roman und die Figur Paul Atreides. Die Analogien liegen auf der Hand, das „Spice“ ist das Öl, die Fremen die arabischen Beduinen, die Harkonnens repräsentieren die Türken, Caladan steht für England, der Kampf um Arrakis ist der Kampf um Arabien im 1. Weltkrieg um 1917. Frank Herberts Roman und Villeneuves zwei Teile gehen ungefähr bis zur Eroberung Akabas durch die Araber 1917, von Lean atemberaubend in Szene gesetzt in seinem „Lawrence of Arabia“. Nicht verwunderlich also, dass man bei den frühen Versuchen einer filmischen Adaption in den frühen 1970er Jahren an David Lean als potentiellen Regisseur herantrat, der aber genauso nachvollziehbar dankend ablehnte.

Zweite Teile im Kino sind immer etwas kompliziert, meist wird etwas nochmal erzählt, die Charaktere sind genau wie das Worldbuilding im ersten Teil bereits abgeschlossen. Liegt dazu noch ein bekanntes Buch zugrunde, dass man verschlungen hat, kann es dazu führen, dass man das Geschehen auf der Leinwand ein wenig gelangweilt „absitzt“. Nicht so hier.

Villeneuves Adaption ist visuell und erzählerisch so atemberaubend gestaltet, dass die knapp drei Stunden Filmlänge wie im Nu verfliegen. Dabei liegt die Kunst darin, was hier und wie es erzählt wird – wie also die Buchvorlage getreu befolgt und gleichzeitig modern aktualisiert wird. Dabei treten einige Charaktere in den Hintergrund, einige Erzählstränge werden gekappt, andere Elemente deutlich mehr betont. Letztenendes eine klassische Heldenreise im Sinne Joseph Campbells, „Who are you?“ wird in David Leans „Lawrence of Arabia“ der Held der Geschichte gefragt. Das Gleiche gilt als Grundlage hier: Ist Paul Atreides, der neue Messias, der Mahdi, der alte Prophezeiungen erfüllen soll. Ist er der Sohn seines Vaters? Ist er das klinische Produkt des religiösen Bene Gesserit-Ordens (Fun Fact: Vertauscht man das B und G bekommt man „Bessere Gene“, vielleicht tatsächlich ein Echo, auf die Eugenik-Versuche der Nazis im zweiten Weltkrieg – Herbert publizierte “Dune“ 1965) Und genauso wichtig die Frage, wie wird er von den anderen wahrgenommen. Stilgar sieht in ihm den Erlöser, Gurney Halleck sieht den Sohn von Herzog Leto, Chani den Geliebten. Wie definiert er sich also selbst? Und wie weit kann man moralisch vertreten, seine Pläne, Ziele und Erwartungen Realität werden zu lassen. Welche Waffen darf man dazu einsetzen? Wann werden Anhänger zu Fundamentalisten, Gefährten zu Abtrünnigen und Freunde zu Feinden? Wie weit darf man gehen, um sich auf Kosten anderer zu verwirklichen. Und es ist ganz leicht, hier Vergleiche zum aktuellen Zeitgeschehen in der Ukraine und im Ghaza Streifen zu ziehen. Hut ab vor Filmemachern, die das Publikum ernst nehmen und eine Geschichte erzählen, die weit über die Zeit im dunklen Kinosaal hinausreichen wird und einen zwingt zu überlegen, wie man wohl selber gehandelt hätte.

Brilliant wie der Film das alles visuell in Szene setzt. Kostüm-Design, Visual Effects, Sound Design, Production Design, die Leistung eines grandiosen Schauspieler-Ensembles, alle Bereiche des Filmschaffens scheinen hier mit Begeisterung am Werk gewesen zu sein. Allein das Geräusch des Plumpsers, dem Gerät, dessen rhytmische Stöße im Wüstensand Sandwürmer anzieht, das alles ist so gekonnt ausgedacht und gefertigt worden, um die Geschichte in bester Weise zu erzählen, das man aus Staunen und Bewunderung nicht herauskommt. Wenn etwas so komplexes so mühelos daherkommt, weiß man, man sieht ein Meisterwerk.

Nachbemerkung: Ich möchte keinen dritten Teil. Das hier ist perfekt, so wie es ist. Ich habe mich durch die Folgebände der Dune-Romane durchgekämpft. Keiner hatte für mich auch nur entfernt den Drive des ersten Buches. Villeneuves „Dune – Part Two“ legt klar Pläne für einen dritten Teil vor. Sollte Villeneuve sich dem annehmen, sehe ich dem mit großer Erwartung entgegen, er hat mich auch hier schon eines besseren belehrt.

Johannes Wolters

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Siehe auch die weiteren INDAC-Kritiken zu DUNE – Part Two von:

Birte Niedermeyer, Hamburg

 

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